FINANZPLATZ
Donnerstag, 03. Dezember 2015 05:24

«Manche Kunden fühlen sich bei ihrer Bank nicht mehr heimisch»

Graf Francis von Seilern-Aspang (links) und Prinz Michael von Liechtenstein

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Privatvermögen ist heute bedroht. Das stellen Prinz Michael von Liechtenstein und Graf Francis von Seilern-Aspang im Interview mit finews.ch fest und entwerfen darum eine Zukunftsvision für die Vermögensbetreuung.

Meine Herren, wenn von Geld die Rede ist, geht es oftmals um die Frage, wie man dieses vermehren kann. Sie hingegen wollen Vermögen «nur» erhalten und nennen das «Wealth Preservation». Weshalb so bescheiden?

Prinz Michael von Liechtenstein (PMvL): Unter dem Begriff «Wealth», also Vermögen, verstehen wir nicht nur Finanzanlagen, sondern ebenso materielle wie immaterielle Güter, etwa Immobilien, Yachten, aber auch Unternehmenswerte oder die Ausbildung von Familienmitgliedern.

Wir beraten und betreuen vermögende Familien und Unternehmer überall auf der Welt, deren Anspruch es ist, bestimmte Vermögenswerte zu erhalten, um damit einen langfristig ausgerichteten Zweck erfüllen zu können. Die Vermögensvermehrung ist dementsprechend ein Teilaspekt.

Wovor muss man Privatvermögen schützen?

Graf Francis von Seilern-Aspang (GFvSA): Private Vermögen spielen eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle. Hinzu kommt, dass Vermögen schon immer gefährdet waren – durch Wirtschaftskrisen, Kriege und Katastrophen, aber auch durch staatliche Enteignungen oder Nachlässigkeit.

«Es besteht ein großes Risiko, dass solche Vermögen schrumpfen oder gar verschwinden»

Ungefähr 80 Prozent der kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) in Deutschland haben sich beispielsweise noch nie überlegt, wie sie ihre Nachlassplanung angehen wollen. Da besteht zwangsläufig ein großes Risiko, dass solche Vermögen schrumpfen oder gar verschwinden.

Welche Rolle übernehmen Sie in diesem Kontext?

(PMvL): Bildlich gesagt können wir eine Überschwemmung auch nicht verhindern, aber wir können dazu beitragen, einen Damm zu bauen.

Und etwas profaner ausgedrückt?

(GFvSA): Im Zusammenhang mit Familienvermögen gibt es eine Reihe von Themen, mit denen man sich ständig befassen muss: Neben der Nachfolgeregelung sind das die jeweiligen familiären Strukturen und Wertvorstellungen, die rechtskonforme Versteuerung des Vermögens, vor allem, wenn dieses über verschiedene Kontinente verteilt ist und es die Familienmitglieder möglicherweise auch sind.

«Unsere Wurzeln liegen im Hause Liechtenstein»

Mit «Wealth Preservation» haben wir vom Industrie- und Finanzkontor einen Überbegriff, der verschiedene Disziplinen in sich vereint, so dass man daraus ein Verwendungskonzept schmieden kann. Individuelle Strukturen über Stiftungen oder Trusts bilden darin das Kernelement.

Machen das nicht schon die Banken oder Family Offices?

(GFvSA): Nein. Banken und Family Offices legen ihren Fokus anders, nämlich primär auf «bankable Assets». Sie decken somit einen Teilbereich der Wealth Preservation ab.

Wie qualifiziert sich denn der relativ unbekannte Industrie- und Finanzkontor für die Wealth Preservation?

(PMvL): Wir betrachten eine Vermögenssituation in ihrer Gesamtheit, also nicht nur aus dem materiellen Blickwinkel. Den Industrie- und Finanzkontor gibt es seit 1948. Unsere Wurzeln liegen im Hause Liechtenstein, das seit vielen Jahrhunderten Bestand hat und ein Beleg dafür ist, dass Vermögen und Werte auch in einem sich ständig verändernden Umfeld erhalten und über Generationen hinweg weitergegeben werden können.

«Wie im Bauwesen sehen wir uns als Generalunternehmer»

Der Industrie- und Finanzkontor kann aus diesem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen. Wir beraten beispielsweise nicht nur darin, was man tun kann, sondern ebenso, was man besser vermeiden sollte. Das gehört auch zu unserer Verantwortung als «Wealth Preservation Experts». Mit unserem Wissen und unserer Erfahrung können wir Vermögen und Werten eine Zukunft geben.

Ist das nicht bloß ein leeres Versprechen?

(GFvSA): Nein. Der Begriff «Vermögen» beinhaltet ja auch die Konnotation, wonach man etwas «vermag» also etwas kann, was wiederum sehr viel mit Erfahrung, Kompetenz und Verantwortung zu tun hat. Mit unserem Verständnis zeigen wir unseren Kunden ihre Möglichkeiten realistisch auf.

Wie im Bauwesen sehen wir uns dabei als Generalunternehmer, der je nach Bedarf die erforderlichen Spezialisten beizieht, damit ein Vermögen über Generation erhalten bleibt.

Wo stellen sich die größten Hindernisse bei dieser Aufgabe?

(PMvL): Die Ansprüche einer Familie verändern sich über die Zeit, ebenso wie die externen Rahmenbedingungen. Heute besteht ein regulatorisches Korsett, das den Einzelnen stark einschränkt, um mit seinem Vermögen frei zu handeln.

«Traditionelle Familienmuster sind aufgebrochen»

Rückblickend muss man auch feststellen, dass eine Epoche der finanziellen Übertreibungen zusammenbricht. Nun versuchen gewisse Staaten alles daran zu setzen den Weg in eine vermeintliche Normalität mit vielen neuen Gesetzen zu säumen.

Was ist daran schlecht?

(PMvL): Die daraus resultierende Komplexität, sei dies bei Haftungsfragen, im Erbrecht oder bei Steuerthemen, stellt heutzutage insbesondere ehr und redliche Leute vor große Probleme. Zugleich sind traditionelle Familienmuster aufgebrochen, was die Rechtssituation zusätzlich erschwert.

Schließlich muss man feststellen, dass selbst in der Schweiz nicht mehr nur das schweizerische Recht gilt. Wir brauchen eine Normalität in Form von einer überschaubaren Anzahl von Gesetzen.

Sie haben von einer neuen Normalität gesprochen. Wo stehen wir diesbezüglich auf der Zeitachse?

(PMvL): Wir stehen noch nirgends, wenn man sich die derzeitige Gesetzeslage anschaut. Und wie diese morgen aussehen wird, steht in den Sternen. Gerade das ist auch ein Indiz dafür, dass Privatvermögen bedroht ist. Denn ohne eine überschaubare Gesetzeslage können Gesetze auch nicht eingehalten werden.

Warum denn nicht?

(PMvL): Weil die Verhältnismäßigkeit fehlt. Oder anders gesagt: Der Respekt vor dem Gesetz fehlt, wenn keine Normalität existiert. Man hat zwar allmählich schon das Gefühl, dass es mit dieser übertriebenen Political Correctness und der Gesetzes- und Verordnungsflut nicht so weitergehen kann. Doch kaum jemand unternimmt etwas dagegen.

Warum sollte ausgerechnet Liechtenstein ein Standort für die Vermögenserhaltung sein?

(GFvSA): Liechtenstein ist nicht die einzige Jurisdiktion auf der Welt, die Stiftungen und Trusts anbietet. Doch hierzulande existiert eine lange Tradition von Vermögenssicherung. Ein wesentlicher Grundstein wurde im Jahr 1926 gelegt, als der Gesetzgeber die ersten Vermögensstrukturen dieser Art ermöglichte.

«Die angestrebte Transparenz kommt einem Eingriff in die Privatsphäre gleich»

Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass Trusts und Stiftungen aus familiären, gemeinnützigen oder wohltätigen Absichten heraus entstanden sind. Liechtenstein bietet stabile politische Verhältnisse, ein verlässliches Rechtssystem und verfolgt keine geopolitischen Eigeninteressen.

In den vergangenen Jahren wurde das Fürstentum auch in diverse Skandale verwickelt. Das hat den Finanzplatz erschüttert. Spätestens seit dann stehen Trusts und Stiftungen unter Generalverdacht. Ist nicht zu befürchten, dass der «Sonderfall Liechtenstein» genauso erodiert wie das Schweizer Bankgeheimnis?

(GFvSA): Medial lastet zweifelsohne Druck auf Stiftungen und Trusts. Diese Rechtsinstrumente wurden ursprünglich aber nicht in der Absicht entwickelt, um Steuern zu hinterziehen, sondern um Vermögen zu schützen, um damit einen langfristigen Zweck zu erfüllen.

Es gibt keinen Grund, dies zu verpönen. Selbst unter dem Deckmantel der heute oft bemühten Transparenz läuft eine solche Argumentation ins Leere. Die angestrebte Transparenz kommt einem Eingriff in die Privatsphäre gleich.

Besteht aber nicht die Gefahr, dass Liechtenstein auf Grund seiner Kleinräumigkeit unter einen Großen internationalen Druck gelangen könnte?

(GFvSA): Weltweit existieren vermutlich etwa 50 Jurisdiktionen, die Trusts und Stiftungen anbieten. Insofern ist das nicht ein Privileg Liechtensteins. Entsprechend wird man solche Vermögensstrukturen nicht so leicht abschaffen können. Es gibt keine begründbare Handhabe dafür.

Außer als Stiftungszentrum profiliert sich Liechtenstein neuerdings als Standort für Datensicherheit. Ist das die große Zukunftsperspektive für einen Kleinstaat?

(PMvL): Das Thema steht noch ganz am Anfang. Aber es ist wichtig. Ich habe kürzlich in der Zeitung gelesen, Daten seien «das Gold des 21. Jahrhunderts». Das unterstreicht, wie wichtig Datensicherheit heute geworden ist.

«Liechtenstein ist als Standort für Datensicherheit ein Zukunftsmodell»

Ich denke, der systematische Schutz von Daten wird tatsächlich eine der ganz Großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein.

Inwiefern denn?

(GFvSA): Haben Sie sich nicht auch schon gewundert, wie manche Staaten sich gegenüber Bürgerinnen und Bürger verhalten? Garantieren sie stabile Rechtsverhältnisse, sind sie verlässlich und stellen die Rahmenbedingungen, innerhalb denen sich Bürger frei bewegen können? Oder sind sie eher von Eigeninteressen getrieben, misstrauen den Landsleuten und sehen diese als bloßes Vermögenssubstrat?

(PMvL): Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausgeschlossen, dass Länder mit einer hohen Kriminalitäts- und Korruptionsrate den geplanten internationalen Informationsaustausch (AIA) als probates Marktforschungs-Instrument missbrauchen. Insofern ist Liechtenstein als Standort für Datensicherheit ein vielversprechendes Zukunftsmodell – weil solche Missbräuche hierzulande weitgehend ausgeschlossen werden können.

Nach Ihren Worten wird der AIA zu wenig kritisch hinterfragt?

(PMvL): Bestimmt. Ich möchte an dieser Stelle nichts pauschalisieren. Aber es gibt auf dieser Welt einige Länder, bei denen man sich durchaus fragen darf, ob sie den AIA tatsächlich gewissenhaft einhalten werden. Länder, wo Kidnapping, Erpressungen und Mord an der Tagesordnung sind.

Neben der Transparenz durch den AIA bedroht noch eine andere Entwicklung den «Alltag» der Banken. Es ist der technologische Fortschritt, der zur Folge hat, dass viele Finanzgeschäfte in die virtuelle Welt abwandern. Nehmen Sie diesen Trend wahr?

(PMvL): Ja, wenngleich die individuelle Beratung und Betreuung von vermögenden Familien und die digitale Welt zwei Paar Schuhe sind. Doch gerade mit dem Internet neigen viele Finanzinstitute dazu, ihre Kunden oder Dienstleistungsempfänger noch stärker zu segmentieren, und darin lauert ein enormes Gefahrenpotenzial.

«Was muss man als Kunde alles preisgeben?»

Auch muss man sich dabei fragen: Was muss man als Kunde alles preisgeben, in diesem Wechselspiel von Transparenz und Privatsphäre? Man sollte sich wieder vermehrt ins Bewusstsein rufen, dass die Finanzindustrie ein People’s Business ist und bleibt.

Es ist jedoch eine Tatsache, dass für immer mehr Finanzgeschäfte Banken gar nicht mehr nötig sind. Werden sie dereinst ganz überflüssig sein?

(PMvL): Ich sehe verschiedene Entwicklungen: Die Banken werden zunehmend gezwungen – auf Grund von Gesetzen und Bestimmungen – ihre Kunden zu kategorisieren. Das führt dazu, dass sich manche Kunden bei ihrer Bank nicht mehr heimisch fühlen und deshalb auch eher bereit sind, zu einem anderen Institut zu wechseln.

Wenn sie manche Bankgeschäfte online tätigen können, werden sie das zweifelsohne tun – bis hin zum Crowdfunding. Je mehr die Finanzinstitute durchorganisiert sind, desto eher werden sie einem EDV-Netzwerk gleichen. Das wird die individuelle Beratung in Finanzangelegenheit massiv beeinträchtigen.

Was sind Ihre nächsten Schritte?

(GFvSA): Hinauszugehen und die gute Nachricht zu verkünden. Spaß beiseite. Mir scheint es wichtig, aufzuzeigen, dass es eine Notwendigkeit dafür gibt, die verschiedenen Teilbereiche, die eine Vermögensstruktur betreffen, zusammenzuführen und diese gesamtheitlich zu betrachten – unter dem Oberbegriff «Wealth Preservation».

«In einem Umfeld von Veränderungen ergeben sich oftmals die besten Chancen»

Auf der Welt leben Menschen, die tagtäglich feststellen müssen, dass ihr Vermögen bedroht ist. Die Rahmenbedingungen sind nicht überall so gut wie in Liechtenstein und der Schweiz.

Sie erwähnen in Ihrem Haus gelegentlich den Grundsatz «Never miss a crisis». Was bedeutet das?

(PMvL): Dass man Krisen nicht verhindern, aber zumindest manchmal entscheiden kann, wie man damit umgeht. In einem Umfeld von Veränderungen und Unsicherheiten ergeben sich oftmals die besten Chancen. Denn, wenn alles perfekt läuft, sieht niemand den Bedarf, etwas zu verändern, im Sinne von weiterentwickeln.

In Krisen sollte man folglich nicht verzweifeln, sondern sie als Chancen wahrnehmen, um manche Dinge besser zu machen, sich selbst weiter zu entwickeln und das Gute erhalten zu können.

In der Serie «Eine Zukunftsvision für die Vermögensbetreuung» beleuchten Repräsentanten von Industrie- und Finanzkontor Ets., Vaduz, den «Wealth-Preservation Ansatz» aus verschiedenen Perspektiven.

Industrie- und Finanzkontor Etablissement, gegründet 1948 und domiziliert in Vaduz, ist ein unabhängiges, liechtensteinisches Treuhandunternehmen mit internationaler Ausrichtung und beschäftigt rund 50 Mitarbeitende. Das Unternehmen ist spezialisiert auf den langfristigen und generationenübergreifenden Vermögenserhalt (WealthPreservation), insbesondere von Familien und Unternehmern.

Der 64-jährige S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist Chairman des Industrie- und Finanzkontors sowie Gründer und Chairman des in Vaduz ansässigen geopolitischen Informations- und Beratungsdienstes Geopolitical Information Service sowie Präsident des Stiftungsrates des liberalen Think Tanks European Center of Austrian Economics Foundation in Vaduz.

Der 61-jährige Graf Francis von Seilern-Aspang ist geschäftsführender Verwaltungsrat und CEO des Industrie- und Finanzkontors, Mitglied des Verwaltungsrats von Gepolitical Information Service sowie Seilern Investment Management, London.