Liechtenstein hat sich vom Schwarzgeld verabschiedet. Dafür schaden jetzt Treuhänder der Reputation des Landes.

Dienstag 23. Januar 2018 10:19  von René Zeyer, (Basler Zeitung)

related article1

Die Wege sind kurz. Im Fürstentum Liechtenstein (hier Vaduz) kennt jeder jeden, auch in der verschwiegenen Finanzbranche – und nicht immer zum Vorteil der Kunden. 

Letzten Freitag kämpfte Ralf H.* vor dem Fürstlichen Landgericht in Vaduz im Verhandlungssaal 3 um rund 3,5 Millionen Euro, die er zurückhaben möchte. Er hatte dieses Geld seiner eigenen Gesellschaft als Darlehen gegeben. Da seine Treuhänder sämtliche Verbindungen von H. zu seinen Firmen kappten, wurden ihm Einsichtsmöglichkeiten in deren Buchhaltung verweigert und der Zugriff auf sein Vermögen komplett entzogen, so sein Vorwurf. Er ist nicht der Einzige, der sich darüber beschwert, dass liechtensteinische Treuhänder durch Misswirtschaft Vermögen vernichten oder sich an der Verwaltung über Gebühr bereichern.

So machte vor Kurzem der Fall einer 2015 verstorbenen «Grande Dame» und Erblasserin Schlagzeilen, deren Erben sich über mangelnde Information und Vermögensverschleuderung durch die das Erbe verwaltende Liechtensteiner Stiftung beklagen. Eine in Vaduz eingereichte Strafanzeige wurde «mangels Anfangsverdacht» nicht angenommen, eine Zivilklage würde mit ungewissem Ausgang Jahre dauern.

Vorteil als Nachteil 

Das Fürstentum hat sich im Steuerstreit mit den USA und der EU viel geschickter als die Schweiz verhalten und sein Image kräftig und schnell aufpoliert. Innerhalb weniger Jahre wurde Liechtenstein vom Steuerhinterzieherparadies zum Musterknaben der Steuerehrlichkeit. Anders sieht es aber bei der Haupteinnahmequelle der Treuhänder im Ländle aus: juristische Konstruktionen wie Stiftungen oder Trusts. Zwar schrumpfte die Zahl der Stiftungen von über 50 000 im Jahre 2008 auf knapp 16 000 Ende 2016: ein Aderlass durch den Abfluss von Schwarzgeld.

Ihr Vorteil ist gleichzeitig auch ihr Nachteil: Die Identität des Stifters kann hinter den verwaltenden Stiftungsräten verschwinden. Im schlimmsten Fall aber auch seine Kontrolle über das Stiftungsvermögen. So kritisierte der österreichische Anwalt David Christian Bauer im Lokalblatt Vaterland, dass «die Instrumente der Stiftung immer öfter weniger an den Interessen des Gründers und der Begünstigten ausgerichtet werden».

Insgesamt 378 Treuhänder und Treuhandgesellschaften teilen sich das Big Business der Verwaltung von geschätzten 20 Milliarden Franken an Stiftungsvermögen. Von der Errichtung eines solchen Konstrukts über die Verwaltung und Beaufsichtigung als Stiftungsrat fallen fette Gebühren und Kommissionen an. Wie Bauer ebenfalls kritisiert, werden zudem Substiftungen errichtet, in die Vermögenswerte ausgelagert werden, über deren Verwendung weder der Stifter noch die Begünstigten Kenntnis haben. Nachdem nun kaum mehr Schwarzgeld im Ländle verwaltet wird, ärgern sich aber viele Kunden von Finanzintermediären und Treuhändern schwarz.

Nach fürstlicher Rechtsprechung sind Stiftungsräte und Treuhänder nur sehr beschränkt auskunftspflichtig gegenüber den Kapitalgebern oder den Begünstigten. Zudem muss man ihnen über Ermessensentscheidungen hinausgehende «schwere Pflichtverletzung» nachweisen, um sie abzusetzen oder haftbar zu machen. Aber wie soll das ohne Informationen gehen?

Auch Professor Martin Schauer, der die Liechtensteiner Regierung bei der Reformierung des Stiftungsrechts beriet, kritisiert in Vaterland «Rechtsunsicherheit» für den Begünstigten und Mandatsverträge als «willkommenes Mittel für Haftungsbefreiung». Immer häufiger und oft vergeblich kämpfen Stifter juristisch gegen ihre eigenen Stiftungsräte oder Treuhänder. Nicht selten fällt dabei der Name Angelika Moosleithner-Batliner.

Über Jahrzehnte dominierte Herbert Batliner das liechtensteinische Treuhandgeschäft. Seine Karriere endete eher unrühmlich, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkannte: Ein Verfahren der deutschen Staatsanwaltschaft wegen Beteiligung an Steuerhinterziehung in Höhe von 250 Millionen Euro wurde 2007 gegen eine Zahlung von 2 Millionen Euro eingestellt. Und der Liechtensteiner Staatsgerichtshof, dem Batliner einst selbst vorstand, qualifizierte in einem Urteil von 2009 Zuwendungen aus einer Stiftung an Batliner als «sittenwidrige Geschäfte».

Die Familientradition wird von seiner Tochter Angelika Moosleithner-Batliner fortgeführt. Sie ist Mitbesitzerin der in First Advisory umbenannten Batliner-Firma. Im Jahr 2009 schluckte First Advisory zudem die LGT-Treuhand; die Fürstenbank LGT zog sich damals aus dem ins Feuer geratenen Treuhandgeschäft zurück. Heute ist First Advisory mit über 240 Mitarbeitern und Vertretungen in Genf, Zürich, Hongkong, Panama und Singapur der Platzhirsch unter den Finanzdienstleistern im Ländle.

Auf grossem Fuss 

Im aktuellen Prozess des Schrotthändlers Ralf H. ist Moosleithner-Batliner beklagte Partei. Sie ist unter anderem Verwaltungsrätin von H.s Gesellschaften. Der wegen Steuerdelikten vorbestrafte Ralf H., der einige Jahre in der Schweiz in einer Villa am Vierwaldstättersee auf grossem Fuss lebte, wirft First Advisory und der Verwaltungsrätin seiner Firmen, Moosleithner-Batliner, vor, sie hätten keine ordentliche Buchhaltung geführt und so seine Steuerprobleme verursacht.

Der Pressesprecher von First Advisory entgegnet, dass diese «Vorwürfe von Herrn H. sachlich völlig entkräftet» seien. «Zu seiner Verteidigungsstrategie gehörte in den vergangenen Jahren seit 2008, unschuldigen Dritten, darunter auch liechtensteinischen Treuhändern und Anwälten, mit unterschiedlichsten Vorwürfen unzulässigerweise die Schuld für seine Situation zuzuschieben, um seine Alleinverantwortung für den Mehrwertsteuerbetrug in Abrede zu stellen.» Im aktuellen Prozess steht das Urteil noch aus. Ganz anders in einem anderen Fall.

Im November 2017 erschütterte der Fall des Treuhänders Harry G.* die gesamte Zunft in Liechtenstein. Der «fürstliche Justizrat» war viele Jahre Präsident des Verwaltungsgerichts und bis 2004 sogar Präsident des Staatsgerichtshofs, des Verfassungsgerichts. Der Chef der Prüfungskommission für Treuhänder und Rechtsanwälte wurde vom Kriminalgericht Vaduz wegen «gewerbsmässig schweren Betrugs und Geldwäsche» sowie der Veruntreuung von 13 Millionen Franken verurteilt.

Da G. lediglich gegen die Höhe des Strafmasses von sechs Jahren Berufung einlegte, ist das Urteil rechtskräftig. Spätestens seit diesem Skandal ist klar, dass im Eldorado der Liechtensteiner Treuhänder, die sich als Stiftungsräte goldene Nasen verdienen, Feuer im Dach ist. Und der nächste Prozess in dieser Causa ist noch anstehend, insgesamt soll es um über 50 Millionen Franken gehen.

Bei immer noch 16 000 Stiftungen, die jeweils über mindestens drei Stiftungsräte verfügen müssen, entfallen auf die rund 100 Treuhänder 480 Stiftungsmandate pro Nase. Selbst wenn nicht zu kriminellen Mitteln gegriffen wird: Pro Stiftung werden Kosten von mindestens 4000 Franken für die Gründung, 5000 Franken für den jährlichen Betrieb in Rechnung gestellt. Plus Beratungskosten nach Aufwand zu einem Ansatz von bis zu 500 Franken pro Stunde. Macht pro Stiftungsrat ein Jahreseinkommen von 800 000 Franken.

Allgemein wird geraten, erst ab einer Einlage von mindestens 1,5 Millionen Franken eine Stiftung zu gründen. Da die Stiftungsräte dem Stifter und erst recht den Begünstigten gegenüber nur sehr eingeschränkt auskunftspflichtig sind, existiert zudem eine Grauzone, welche Gebühren oder Kick-backs sich die Stiftungsräte bei der Verwaltung des Vermögens abgreifen. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Begünstigte nach dem Tod des Stifters Auskunft über die Bewirtschaftung des Vermögens verlangen – und auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen werden.

Im Ländle mit seinen 38 000 Einwohnern sind alle Wege kurz und kennt jeder jeden. So ist Angelika Moosleithner Präsidentin der Liechtensteinischen Treuhandkammer, im Vorstand sitzt neben Seiner Durchlaucht Prinz Michael von und zu Liechtenstein auch Johannes Gasser. Dieser Anwalt war einst Partner von Batliner senior, führt als Gasser Partner die Geschäfte weiter und ist für Moosleithner-Batliner der Rechtsvertreter ihrer Wahl.

Dabei schadet es sicher nicht, dass Gasser im Richterauswahlgremium sitzt; er bestimmt also mit, welche Richter seine Fälle behandeln. Der Sache der Finanzintermediäre nicht abträglich ist zudem die Tatsache, dass Anwälte und Treuhänder nebenamtlich als oberste Richter im Fürstentum arbeiten dürfen. Auf Anfrage hält Gassers Pressesprecher dagegen: «Die Gerichte selbst entscheiden unabhängig und souverän über die gerichtsinterne Zuteilung der Fälle. Darauf hat niemand Einfluss, auch nicht das Richterauswahlgremium oder Dr. Gasser.»

Inzwischen formiert sich Widerstand gegen die Vertreter der Treuhänder-Zunft, die gerne ihre fetten Pfründen behalten möchten. Der Liechtensteiner Treuhänder Roger Frick wandte sich im Oktober letzten Jahres an seine «werten Kollegen» in der Treuhandkammer und berichtete über zunehmende Klagen aus dem Ausland, dass es «in Liechtenstein immer mehr Finanzintermediäre gebe, die Mandate blockierten, Steuerbereinigungen nicht zuliessen und gleichzeitig die Honorare erhöhten». Das käme durchaus auch «als Erpressung» daher. Die feste Bindung des Mandanten an seinen Treuhänder laufe «auf einen Selbstbedienungsladen hinaus», das schade dem Finanzplatz.

Als Abhilfe schlägt Frick vor, dass zumindest die Übertragung eines Mandats von einem Treuhänder auf einen anderen für den Mandanten deutlich erleichtert und kostenfrei gestaltet werden soll. Darauf reagierten Moosleithner-Batliner und Gasser blitzartig mit einem eigenen Schreiben, in dem sie die Kollegen darum baten, von einer Unterstützung des Anliegens von Frick «Abstand zu nehmen». Allfälligen Empfehlungen des Vorstands der Treuhandkammer sei nicht vorzugreifen.

50 Milliarden aus der Schweiz 

Im Steuerstreit hat sich das Fürstentum Liechtenstein elegant aus der Bredouille befreit und sein Image aufpoliert. Geldgierige Treuhänder und Stiftungsräte sorgen nun für einen zunehmenden Reputationsschaden. Während früher der Hinweis auf Schwarzgeld die Kapitalgeber bei Stiftungen davon abhielt, gegen ihre eigenen Stiftungsräte und Treuhänder vorzugehen, wenn die zu geldgierig wurden, sind es heute schlichtweg gesetzliche Hürden. Sie machen es im Zweifelsfall für den Stifter oder für die Begünstigten fast unmöglich, Auskünfte zu erlangen und Stiftungsorgane in Haftung zu nehmen.

Von den insgesamt 235 Milliarden Franken verwaltete Vermögen in Liechtenstein stammen rund 50 Milliarden aus der Schweiz. Einige werden noch vor dem Inkrafttreten des automatischen Informationsaustausches in diesem Herbst abgezogen werden. Ist das Vermögen allerdings in einer Stiftung parkiert, dürfte das nicht einfach werden.

* Name der Redaktion bekannt 

Quelle: Basler Zeitung